Erzählen für schwerstkranke Menschen und in der Trauerbegleitung

Erzählen für schwerstkranke Menschen und in der Trauerbegleitung

Das Erzählen von Märchen und Geschichten ist bei der Begleitung von schwersterkrankten Menschen und bei der Trauerbegleitung eine wunderbare Möglichkeit, um Erinnerungsbrücken zu bauen und um mit warmen Gefühlen in eine bekannt-geliebte Welt einzutauchen. Um solche Erinnerungsbrücken noch besser entstehen lassen zu können, bilden sich seit einigen Wochen 14 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes Lippe e.V. bei der Akademie Erzählkultur fort.

In dieser maßgeschneiderten 88stündigen Fortbildung gehen die Ausbilder Marianne Vier und Lothar Schröer konkret auf die Besonderheiten und Möglichkeiten in der Begleitung schwersterkrankter und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen ein. „Das Erzählen kann durch seine Emotionalität, durch Wärme und das Erschaffen von Bildern bei Betroffenen, Familienmitgliedern und Helfern in Krankheits- und Trauersituationen stärkend und unterstützend wirken“, erläutert Catrin Michels von der Akademie Erzählkultur.

Der Ambulante Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe e.V. hat die Vielfalt des Erzählens erkannt und in die Fortbildung seiner Ehrenamtlichen investiert. Ilse Böinghoff, stellvertretende Geschäftsführerin und Koordinatorin des Vereins, erläutert: „Das Erzählen stellt eine lohnenswerte Erweiterung in unserer Arbeit dar. Durch das Erzählen können wir noch einmal Erinnerungen an schöne Momente, bspw. aus der Kindheit, hervorrufen.“

Die Teilnehmenden lernen, wie man Kindern eine Geschichte erzählt, aber wie anders man sie ei-nem schwerstkranken Menschen erzählen kann. Sie lernen, wie man sich den Text merken kann und wie man sich selbst Geschichten spielerisch erschließt, um sie dann kreativ und bildhaft erzählen und damit lebendige Bilder im Kopf der Zuhörer erzeugen kann. Und sie erlernen durch die Erzählausbildung auch, wie wichtig es ist, bedarfsgerecht und passend zur Lebensgeschichte der Betroffenen die Erzählkunst einzusetzen. Gleichzeitig fordert die Erzählausbildung aber auch ein hohes Maß an Offenheit für eigene Erzähl-Präsentationen und ausgiebige Selbstreflektion. Beim Erzählen taucht man in Phantasien ein, wird an die eigene Kindheit erinnert und reflektiert eigene Erlebnisse. Die Ausbildung hilft, eigene Stärken zu bewahren, neue Sichtweisen zu erleben und Klarheit für die eigene Rolle zu gewinnen. Eine Teilnehmerin bemerkt nach der zweiten Schulungseinheit: „Nie hätte ich gedacht, dass Erzählen so anstrengend sein kann“. Marianne Vier, Ausbilderin in der Akademie Erzählkultur, erklärt: „Es muss ein bisschen anstrengend sein. Und jede Geschichte, die ich erzählen möchte, ist auch ein Stück weit meine eigene Geschichte. Nur wenn wir intensiv in die Geschichte eintauchen, sie uns erarbeiten, indem wir zum Beispiel das Bild, das im Kopf der Zuhörer entstehen soll, einmal selbst aufmalen, können wir merkenswert erzählen.“

Die Erzählausbildung für den Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe e.V. endet im Sommer. Erzählen werden die Teilnehmenden bis dahin selbstverständlich schon. Im Anschluss an die Fortbildung sind regelmäßige Erzähltreffen geplant, um weiter zu üben, aber auch das Feedback der Kolleginnen und Kollegen einzuholen.